NAFFO Symposium: Strategien im Umgang mit dem Iran

NAFFO Symposium: Strategien im Umgang mit dem Iran

Das Thema unseres gestrigen Symposiums hat im Januar 2020 eine erschütternde Aktualität bekommen: Die regionalen Netzwerke des Iran und die Fähigkeit Teherans sie strategisch zu nutzen. Aktuell deshalb, weil der zentrale Architekt der iranischen Hegemonie im Nahen Osten, General Kassem Soleimani, Anfang des Jahres von einem US-amerikanischen Spezialkommando getötet wurde. Erschütternd, da viele Kommentatoren einen größeren Konflikt zwischen Iran und den USA fürchteten, der sich auch schnell hätte ausbreiten können, so Mirjam Rosenstein in der Einleitung.

Studie des IISS: Networks of Influence

Forscher und Politiker interessieren sich jedoch nicht erst seit Anfang des Jahres für das Thema. Im ersten Teil unserer Veranstaltung mit dem Titel „Strategien im Umgang mit dem Iran“ stellte Dr. Bastian Giegrich eine im November 2019 veröffentlichte Studie des Institut IISS (London) vor. 18 Monate lang hatten Forscher die Strukturen, Ziele, Fähigkeiten der regionalen iranischen Strategie ausgewertet. Sie kommen zu dem einfachen Ergebnis, dass die Netzwerke Teherans ein für den Iran extrem erfolgreiches Mittel der asymmetrischen Kriegsführung darstellen, mit der er seine Ziele und Interessen durchzusetzen versucht.

Regionale Netzwerke wichtiger als Raketenprogramm oder nukleare Bewaffnung

Für das Regime sei der dadurch gewonnene Einfluss in der Region erheblich wichtiger als eine nukleare Bewaffnung und sogar wichtiger als das in den letzten Jahren massiv aufgerüstete Raketenprogramm. Die Verflechtungen mit den Akteuren ist dabei durchaus komplex. Sie reicht von pragmatischem Opportunismus (etwa bei Hamas) bis zu einer quasi-staatlichen Verbindung (bei libanesischer Hisbollah). Mit der Studie gibt das IISS der Politik eine solide Basis für politische Entscheidungen an die Hand.

Politiker im Gespräch: Was kann Deutschland tun?

Der zweite Teil des Abends war ganz der Frage gewidmet: Was kann Deutschland tun? Wie bewertet die deutsche Politik die iranische Politik im Nahen Osten? Wir haben uns sehr gefreut mit Alexander Graf Lambsdorff, Omid Nouripour, Dr. Nils Schmid und Dr. Johann Wadephul nicht nur ausgesprochene Kenner der Region sondern auch die verantwortlichen Politiker der für das Thema relevanten Parteien zu Gast zu haben. Daniel Dylan Böhmer, Senior Editor der WELT, führte durch die Diskussion, in der es unter anderem auch um die Auswirkungen auf uns in Deutschland, das Nuklearabkommen mit dem Iran, die Staatsräson der Sicherheit Israels und einer ganzen Reihe von weiteren Fragen ging.

Den Iran falsch eingeschätzt

In der Diskussion wurde schnell klar, dass das Thema paramilitärischer Einheiten mit Verbindung in den Iran nach Abschluss des Nuklearabkommens sträflich vernachlässigt wurde. Die erhoffte Annäherung blieb aus. Im Gegenteil: das Geld, das durch Aufhebung der Sanktionen ins Land floss, wurde direkt in die Expansionspolitik investiert. Der Westen habe den Iran falsch eingeschätzt. Insbesondere hätte es Missverständnisse über das Selbstbild der Iran gegeben. Der Westen dachte: der Iran kommt an den Verhandlungstisch, weil der Sanktionsdruck zu hoch ist. Teheran dagegen ist überzeugt, dass er am Verhandlungstisch saß, weil der militärische Einfluss des Iran im Nahen Osten in den letzten Jahren dramatisch gewachsen ist. Die iranische Investition in regionale Netzwerke hat sich nach dieser Logik also gelohnt. Mit der Tötung von Soleimani haben die USA die Verbindungen Irans in die Region zwar erheblich gestört. Es sei aber noch nicht abzusehen, ob er ersetzbar sei.

Deutschland muss umliegende Staaten stabilisieren – aber wie?

In der Frage nach einem europäischen Beitrag auch militärisch Druck auszuüben, stelle sich auch immer die Frage nach dem völkerrechtlichen Rahmen. So sei die Mission am Golf zwar teils politisch gewollt, jedoch nicht praktisch zustande gekommen. Was Europa dagegen sehr gut kann und auch schon tut, ist eine Stabilisierung der umliegenden Staaten, insbesondere des Irak. Dabei – und da gingen die Meinungen dann weit auseinander – müsse Deutschland auch eine Antwort auf die Frage finden, ob es solche Staaten militärisch unterstützen will, die zwar gemeinsame Interessen haben, jedoch aus menschenrechtlichen Gründen keine engen Partner sein könnten.

Iranische Netzwerke bedrohen auch Israel

Bei allen unterschiedlichen Meinungen und Positionen, bestand doch große Einigkeit darüber, dass die Netzwerke des Iran im Nahen Osten, die Hisbollah, die Volksmobilisierungseinheiten im Irak, die Huthis im Jemen, eine der größten Herausforderungen für die zentralen Interessen Deutschlands im Nahen Osten darstellen: nationalstaatliche Stabilität und die Sicherheit Israels. Es brauche eine viel stärkere Eindämmung. Auch das JCPOA habe dringend Nachverhandlungsbedarf. Mirjam Rosenstein bedankte sich bei den Panelteilnehmern für die teils kontroverse Diskussion und betonte, dass NAFFO zum Thema Iran gerne weiter im Gespräch bleibt.