NAFFO Briefing: Palästinensische Wahlen – Ist es nach 15 Jahren nun soweit?

NAFFO Briefing: Palästinensische Wahlen – Ist es nach 15 Jahren nun soweit?

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Für das palästinensische Volk trifft das laut unserem zweiten Webinar im Jahr 2021 auf die kommenden Monate zu. Denn im Mai und Juli werden die Palästinenser 15 Jahre nach der letzten Wahl ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten wählen. Das von Executive Director Mirjam Rosenstein (NAFFO) moderierte Gespräch mit einem renommierten palästinensischen Politikwissenschaftler förderte interessante Fakten und Perspektiven ans Tageslicht.

Die letzte Wahl hat die palästinensische Gesellschaft tief gespalten

Die letzte palästinensische Wahl 2005/2006 hatte Auswirkungen, die auch eineinhalb Jahrzehnte später noch schmerzlich zu spüren sind. Die Mehrheit der Stimmen ging an die Hamas, die von den USA und Europa als Terrororganisation gelistet ist. Nach einem gescheiterten Versuch der Machtübernahme putschte die Hamas im Gaza-Streifen. Seitdem sind die beiden palästinensischen Gebiete getrennt. Fatah regiert im Westjordanland, die Hamas in Gaza.

Gemäß palästinensischem Wahlrecht sollte zeitgleich im Westjordanland, dem Gazastreifen und Ostjerusalem gewählt werden, erläutert Mirjam Rosenstein in ihrer Einführung. Dies wird von vielen als Grund genannt, weshalb nicht eher gewählt wurde. Denn Israel würde es kaum zulassen, dass die international als Terrororganisation eingestufte Hamas in dem von Israel kontrolliertem Gebiet von Ostjerusalem offiziell Wahlkampf führen würde. Der Grund für die jetzt geplante Wahl ist der von der EU ausgeübte Druck zur Erneuerung der Legitimität der palästinensischen Führung, und so finanziert die EU sogar die Wahlen.

Wahl mit ungewissem Ausgang

Umfragen zufolge würden auch heute eine große Zahl der Stimmen an die Partei „Wandel und Reform“ gehen, eine Nachfolgepartei der Hamas. Grund ist eine Unzufriedenheit mit Präsident Abbas und eine generelle Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit, die von palästinensischer Seite aus auf die israelische Besatzung zurückführt wird. 25 Jahre Verhandlungen, aber immer noch keine Aussicht auf zwei Staaten. Immer mehr Palästinenser unterstützen deshalb die Idee einer Einstaatenlösung. Die Wahl sehen vor allem viele junge Menschen als Entscheidung zwischen einem “Weiter so” mit Abbas und Co. oder einem (nicht nur) politischen Kampf gegen die eigene Führung und gegen die israelische Besatzung – mit ungewissem Ausgang.

Aussichtslosigkeit ist der Tenor der Neuwahlen

Viel ändern wird diese Wahl wohl leider nicht. Keine der Parteien hat auch nur ansatzweise ein Programm für ihre Bürger aufgestellt, welches lokale und vor allem soziale Themen wie z.B. die Verbesserung und der Zugang zu Bildung, ein besseres Gesundheitssystem und eine Perspektive zu Abschaffung der Arbeitslosigkeit berücksichtigt. Das Hauptthema, um das es in der Wahl geht, ist die Situation mit Israel. Trotz hoher Frustration in der Bevölkerung wird die Fatah wohl voraussichtlich eine Mehrheit erhalten. Denn fast eine Million der Stimmberechtigten arbeiten im öffentlichen Sektor, sind Teil des Systems und von den Gehältern der Fatah abhängig.