Iran und Israel im Krieg – wie weiter?

Iran und Israel im Krieg – wie weiter?

Inmitten der akuten Eskalation zwischen Israel und der Islamischen Republik Iran bot NAFFO eine sicherheitspolitischen Einordnung jenseits tagespolitischer Schlagzeilen. Unter der Schirmherrschaft von Jürgen Hardt MdB (CDU/CSU, außenpolitischer Sprecher) lud NAFFO zum Parlamentarischen Frühstück mit Experten. Die vertrauliche Runde im Bundestag bot Raum für einen offenen, multiperspektivischen Austausch: Zwischen Abgeordneten, sicherheitspolitischen Fachleuten und Kennern der iranischen Opposition wurden nicht nur militärische Entwicklungen beleuchtet, sondern auch gesellschaftliche Dynamiken, strategische Risiken und die möglichen Konsequenzen für Europa diskutiert.


Strategische Neubewertung durch Fabian Hinz

Fabian Hinz (International Institute for Strategic Studies, IISS) lieferte eine detaillierte militärische Lageanalyse auf Basis aktueller OSINT-Daten. Diese machten deutlich: Der israelische Militärschlag war nicht nur ein punktuelles Luftmanöver, sondern wurde durch fast zweiwöchige Bodenpräsenz begleitet – ein strategisches Novum.

Das iranische Mittelstreckenraketenprogramm gilt als nahezu vollständig zerstört, ein Wiederaufbau würde rund ein Jahr in Anspruch nehmen. Das Kurzstreckenarsenal, vor allem für Angriffe auf US-Stützpunkte relevant, blieb hingegen weitgehend intakt.

Die Zentrifugen- und Urananreicherungsanlagen des Regimes in Iran wurden schwer beschädigt. Zwar lässt sich der genaue Umfang nicht eindeutig feststellen, doch das Atomprogramm wurde deutlich zurückgeworfen. Eine Wiederaufnahme wäre jedoch bei politischem Willen des Regimes möglich – die Gefahr ist also gebremst, aber nicht gebannt.

Hinz betonte zudem die schnelle Lernfähigkeit der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC): Während es im April und Oktober 2024 noch an Treffgenauigkeit mangelte, konzentriert sich Teheran inzwischen auf Angriffe auf zivile Ziele, bei denen Präzision weniger entscheidend ist. Diese Anpassung unterstreicht die strategische Gefährlichkeit des Regimes auch jenseits konventioneller Waffensysteme.

 

Innenpolitische Perspektiven

Danial Ilkhanipour (Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, SPD) rückte die innenpolitische Situation Irans in den Fokus. Viele Iraner empfinden den derzeitigen Waffenstillstand als bedrohlicher als den offenen Krieg, da er mit zunehmender Repression im Innern einhergeht. Für die Mehrheit der Bevölkerung sei nicht Israel, sondern das Regime um Khamenei der eigentliche Aggressor.

Er betonte, dass die iranische Bevölkerung die Lage nicht mit der Situation in Gaza vergleicht – weder gesellschaftlich noch politisch. Die Gleichsetzung sei falsch und werde im Land selbst abgelehnt. Der aktuell ausgehandelte Waffenstillstand erinnere viele an frühere Fehler westlicher Politik, die – so Ilkhanipour – dem Regime immer wieder Raum zur Stabilisierung verschafft habe. In der Bevölkerung wachse daher das Misstrauen gegenüber dem Westen, der das Regime aus ihrer Sicht mehrfach unterstützt oder zu wenig konsequent sanktioniert habe.

Zugleich hob Ilkhanipour hervor, dass die iranische Opposition – im Inland wie im Exil – heute geeinter auftrete als oft dargestellt, insbesondere in den vergangenen Monaten. Die Sorge, dass der Westen die Bevölkerung im Iran erneut im Stich lässt, sei groß – auch angesichts zunehmender Bedrohungen gegen Oppositionelle in Europa.

Der Internet-Freedom-Aktivist Hesam Misaghi schilderte die verheerenden Folgen der Internetabschaltungen durch das Regime. Während der Kampfhandlungen waren Millionen Menschen von Informationen aus dem In- und Ausland abgeschnitten – ein Zustand digitaler Isolation, der die Zivilgesellschaft schutzlos macht. Misaghi sprach sich daher klar für den Ausbau alternativer Zugänge wie Starlink aus, um der Bevölkerung einen unabhängigen Zugang zu Informationen zu ermöglichen.


Zunehmende Gefahr durch asymmetrische Repression

Ein zentrales Fazit der Veranstaltung betraf die strategische Rolle der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC): Sollte das Regime seine konventionellen militärischen Kapazitäten nicht schnell wiederherstellen können, ist zu erwarten, dass es auf asymmetrische Mittel zurückgreift – etwa auf Terrorismus, transnationale Repression und gezielte Angriffe auf Exiliraner sowie jüdische Einrichtungen weltweit und insbesondere in Deutschland. Die größte sicherheitspolitische Herausforderung liegt somit in der Frage, ob die IRGC ihre militärische Schwäche in neue Formen der Gewalt und Einschüchterung übersetzt – im In- wie im Ausland.