Briefing mit Politik-Beraterin Melody Sucharewicz zur neuen israelischen Regierung

Briefing mit Politik-Beraterin Melody Sucharewicz zur neuen israelischen Regierung

Die Politik-Beraterin und Kommunikationsexpertin Melody Sucharewicz führte für Bundestagsabgeordnete und Mitglieder ein exklusives Briefing zur aktuellen israelischen Regierung durch. Schon wenige Tage nach der Bestätigung der Regierung durch die Knesset, konnte NAFFO damit Entscheidungsträgern im Bundestag Hintergrundinformationen liefern und eigene Schwerpunkte bei der Zusammenarbeit beider Regierungen setzen.

Für Sucharewicz stand bei ihrer Analyse der neuen Regierung dabei vor allem der Wille zu einem neuen Politikaufbruch aller Beteiligten im Vordergrund. So hätte der Vorsitzende der Yesh Atid Partei, Yair Lapid, mit dem Vortritt an Naftali Bennet im Posten des Regierungschefs gezeigt, dass er pragmatisch handelt und sich selbst zum Wohle des Landes zurückgenommen hat. Ihm ist es gelungen, drei rechte Parteien, zwei Parteien der Mitte, zwei linke Parteien und eine arabische Partei in einer Regierung zu vereinen. Diese extreme Diversität politischer Überzeugungen in der Regierung sei damit ein Spiegel der israelischen Gesellschaft.

Die Koalition, die nur eine Stimme über der notwendigen Mehrheit liegt, könne aber leicht ins Wanken geraten. Das könnte der Fall sein, sollten beispielsweise innere Spannungen zwischen israelischen Juden und israelischen Arabern aufflammen oder die Lage mit der Hamas militärisch eskalieren. Auch der langjährige Premierminister und jetzige Oppositionsführer Benjamin Netanyahu wird versuchen, wieder an die Macht zu kommen. Einigkeit herrscht jedoch unter allen Parteien bei der Bewertung der äußeren Gefahr, die vor allem durch das iranische Regime ausgeht.

Sucharewicz machte in der neuen Regierung einen Neustart in dreifacher Hinsicht aus:

  1. Praktische Ebene: im Land herrsche große Erleichterung, dass der Wahlmarathon nach vier Wahlen in nur zwei Jahren endlich abgeschlossen sei, und die Regierung sich nun dringenden Themenwie der Verabschiedung des Budgets widmen könne.
  2. Ebene der politischen Kultur: mit dieser Regierung halte eine neue politische Kultur und ein neuer Ton Einzug. Die Stichworte lauten hier Dialog, Vertrauen und Einheit. Dass die Koalitionspartner bisher gut vertrauen, sähe man daran, dass erste Hürden schon gemeinsam genommen wurden. Der Topos der Einheit hat laut aktuellen Umfragen für die meisten Israelis Priorität: viele seien noch immer schockiert von den Krawallen und Ausschreitungen zwischen arabischen und jüdischen Israelis. Die Kompromissbereitschaft der heterogenen neuen Regierung und der bereits gezeigte Wille zur Zusammenarbeit lassen Hoffnung aufkommen.
  3. Symbolische Ebene: der symbolische Neustart ist gerade aufgrund dieser Spaltung im Land besonders wichtig. Viele arabische Israelis fühlen sich durch die erstmals in der Regierung beteiligte Ra’am Partei vertreten. Zum ersten Mal lege eine arabisch-israelische Partei ihre Abwehrhaltung gegenüber der israelischen Politik ab, rücke damit die Bedürfnisse der arabischen Israelis in den Fokus. Viele hoffen daher auf Verbesserungen in den Bereichen Kriminalität und bessere Integration in den Arbeitsmarkt. Die neue Regierung will Brücken bauen und nicht polarisieren.

Für die Beziehung mit den Palästinensern sieht Sucharewicz jedoch keinen Neustart. Die dortige Führung sei mit Machtkämpfen und inneren Spannungen zu sehr beschäftigt, um sich auf eine Wiederbelebung des Friedensprozesses einzulassen. Trotz anhaltender, jahrzehntelangen, fast schon pathologischen Abwehrhaltung der Fatah gegenüber Fortschritt auch für die eigene Bevölkerung hofft Sucharewicz jedoch auf vorsichtige vertrauensbildende Maßnahmen zumindest von israelischer Seite. Aufgrund der internen Rivalitäten zwischen Hamas und Fatah und den anhaltenden Angriffen der Hamas auf Israels Zivilbevölkerung hält sie es aber für unwahrscheinlich, dass es jetzt zu irgendeiner Form von Verhandlungen mit Israel kommen wird. Gegenüber der EU jedoch könnte sich eine neue politische Dynamik ergeben. So hätten enge Vertraute der Regierung deutlich gemacht, dass die neue Regierung mit der EU intensivere Beziehungen basierend auf offenem Dialog möchte.